Montag, 24. August 2015

Ein letzter Eintrag-Reflexion und Alltagsleben

Mein erster Schultag in der Schweiz ist vorbei-Der Ernst des Lebens hat begonnen. Natürlich war auch meine Zeit in Japan kein Zucker-schlecken, etwas zu Lernen gab es immer.
Doch in der Schweiz habe ich bereits 2 Wochen Schule verpasst und diesen Stoff muss ich jetzt nachbüffeln. Ich werde in nächster Zeit also doch noch keine Zeit für meine Schmöcker haben, nur für Schulbücher und Kalkulationen.
Ich fühle mich fremd in der Schweiz. Ich fühle mich weder schweizerisch, noch japanisch, irgendwo dazwischen. Ich betrachte das Schweizer Leben mit Distanz, amüsiere mich über "Mammi's" im Zug und schlecht gelaunte Kassiererinnen. Schweizer haben Tendenz zum Mürrisch-Sein, als hätten sie vergessen, wie man einfach lebt und Spass hat.
Auch wenn ich bereits nach einem Tag Schule mit der Arbeit für zukünftige Projekte, das Praktikum im Winter und dem sonstigen verpassten (und vergessenen!) Stoff bereits bis zum Hals darin stehe, will ich entspannt bleiben. Jeder der zurückgekehrten Austauschschüler hat wie ich gelernt, spontan zu sein und sich nicht zu sehr unter Druck setzen zu lassen.
Ich habe mich verändert, das spüre ich. Mit meinen japanischen Umgangsformen, Angewohnheiten und sonstigen Entdeckungen mag ich mich besser als mein Ich im März. Mein wichtigstes Ziel ist wohl nun, all diese Dinge nicht zu vergessen, was würde sonst von Japan übrig bleiben?
Für 5 Monate war meine Identität Austauschschüler und Exot aus dem Ausland. Diese Zeit ist nun vorbei und ich bin wieder eine Kantonsschülerin ohne gröbere Verständigungsschwierigkeiten.
(Meine sprachlichen Fähigkeiten bezüglich Deutsch, Spanisch und Französisch haben drastisch nachgelassen).
Bis zu den Herbstferien kann ich mich nun im Alltagstrott einfinden-Doch möchte ich trotzdem aus jedem Tag etwas Besonderes machen. Es gibt nichts Schlimmeres, als im Austausch in einen Alltags-Teufelskreis zu verfallen-Jeder Tag sollte besonders sein, die Tage sind schliesslich gezählt.
Dies möchte ich nun auch in der Schweiz anwenden, das Leben wird sonst viel zu monoton.
Ich habe in Japan Farben lieben gelernt, viele Assoziationen habe ich zu den Farben Rosa, Pink etc. etc.
Noch vermisse ich das Land der aufgehenden Sonne und Farben nicht, doch nachdem mein Umzug sich in meinem Bewusstsein gesetzt hat, werde ich vermutlich starke Sehnsucht verspüren.
Dann sollte ich vermutlich dem Tipp der Japaner bei Langeweile etc folgen: Lernen, lernen, lernen... Meine Zeit als Japanerin ist nun (vorerst?) vorbei, mein Traum vom japanischen Highschool-Leben erfüllt. Ich fühle mich mental um vieles älter-und doch mit 17 Jahren unglaublich jung. Bereits habe ich neue Träume, Hoffnungen und Pläne. Hoffentlich lassen sich auch diese realisieren, meinen Blog beende ich mit diesem Post allerdings. Ich danke allen, welche ihn mit mehr oder weniger Beständigkeit gelesen haben und in Gedanken an meinem Abenteuer teilgenommen haben. Nie habe ich bereut, nach Japan geflogen zu sein, es war (bis jetzt) das grösste Abenteuer meines Lebens und ohne Unterstützung wäre es vermutlich nicht einen solchen Erfolg geworden.

さようなら!

Mittwoch, 19. August 2015

Abschied vom Land der aufgehenden Sonne

Die letzten Tage verbrachte ich in einem "limboartigen" Fluss: Ich war beschäftigt mit Vorbereitungen, hatte eine Abschiedsparty, verabschiedete mich von diversen Leuten...
Am Freitag sendete ich 3 Pakete mit Büchern, Geschenken etc. plus mein Shinai in die Schweiz. Wenn das Zimmer, das eigentlich meiner älteren Schwester gehört, aber für meine Lebenszeit in Japan mein Zuhause war, immer leerer wird, fühlt man sich langsam melancholisch.
Gleichzeitig tauchen immer mehr Dinge auf, die ich zurück in der Schweiz tun möchte. Eine gewisse Freude am Zurückkommen ist also auch irgendwie vorhanden.
Am Montag besuchten Oscar und ich zwei unserer Freunde in Niigata: Jules, der Franzose und Tom, der Australier. Diese zwei Herren sind sich so nahe wie Oscar und ich, allerdings teilen sie sogar die Gastschule. Wir verbrachten einen vom wetter minimal bedingt, doch wunderbar tollen Tag. Auch dort am Bahnhof fiel mir der Abschied schwer. 
Jeder Austauschschüler will nicht gerne die tollste Zeit seiner Jugend hintersich lassen, jedoch ist es frustrierend, wenn man als einzige das Land verlässt. Wir  alle haben zwar einander versprochen, uns in Europa zu besuchen, doch wird unser Treffen erst nach deren Rückkehr im Februar stattfinden können.
Ansonsten blieb mir nicht fiel übrig, ausser mein Zimmer zu putzen, mein Koffer zu packen und einige letzte Dinge einzukaufen.
Heute Abend traf ich mich mit meiner LP und meinem Sub-LP auf ein letztes Treffen. Da ich die letzten Tage keine Zeit hatte, assen wir zu viert mit meiner Gastmutter zu Abend und hielten das Treffen bei Kaffe und Kuchen in meinem Zimmer ab. Eine Rangliste mit Top-Events oder Lieblingsessen zu erstellen ist ziemlich schwer! Wir sprachen über alle möglichen Erfahrungen, Challenges und Ereignisse, so dass der Abschied immer greifbarer wird. Meine letzte Challenge hier in Japan war beispielsweise der Trip ins Kino mit einer AFS-Freiwilligen: Ein Anime wurde in ein Film mit Schauspielern verwandelt und ich hatte seit April das Ziel, im August den Film zu sehen und auch die Story zu verstehen.
Morgen Nachmittag fährt mein Shinkansen nach Tokyo, doch dieses Mal werde ich alleine fahren. Eine Nacht in einem Hotel in der Nähe des Narita-Flughafens und am nächsten Morgen geht es los mit Swiss nach Zürich. Auch wenn ich am Freitagmorgen das Land verlassen, erreiche aufgrund des Zeitunterschiedes bereits am Freitagnachmittag vor 4 Uhr Zürich Kloten. Ich freue mich über alle, welche Zeit und Lust haben, dann vorbei zu schauen!
Was bleibt bis dahin? Einen letzten Spaziergang mit Kamera durch Joetsu um Abschied zu nehmen, danach muss ich mit meinem Rucksack und dem 20kg-Koffer alleine die letzte Etappe meiner Reise von 5 Monaten antreten.

Samstag, 15. August 2015

Obon-Anlass zur Gesinnung

Um die beschäftigten Japaner etwas psychisch zu entspannen, gibt es seit Ewigkeiten den Obon. Ein "Feiertag"(man hat trotzdem selten Ferien) aus der buddhistischen Religion. Am Obon sollen die verstorbenen Ahnen zurück in das Haus kommen, wo sie ihr Leben verbracht haben. Deswegen kehren auch die jüngeren Generationen an ihren Geburtsort zurück.
Dieses Jahr fuhren meine Mutter und ich alleine ins Haus ihrer Eltern nach Tokamachi. Das letzte Mal waren wir zu fünft Anfang Mai dort, jetzt ist es bereits August. Anstatt schmelzenden Schnees sieht man nun Grün, wo man nur hinblickt.
Seit ich das letzte Mal dort war, hat sich mein Japanisch spürbar verbessert- dennoch ist das Vokabular des Grossvaters ziemlich schwierig zu verstehen. Etwas ziemlich besonderes an der japanischen Sprache sind die vielen Synonyme. Meine Schwester in der Schweiz sagte mir einst, dass sich alle Synonyme etwas unterscheiden, da sich sonst alle gemeinsamen Wörter auf ein einziges reduzieren würden.
Im Japanischen funktioniert diese Logik nicht. Man hat für sehr viele Begriffe mindestens 2 Wörter, die Kanji(kombination) ist dann allerdings anders. Die Bedeutung bleibt allerdings dieselbe.
Also hatte ich beim Abendessen eine erneute Herausforderung und lauschte den Erzählungen des Grossvaters mit voller Konzentration.
Vorher  zeigte er mir aber noch seine Glühwürmchenzucht, die erst einige Wochen alt ist. Früher gab es eine grosse Anzahl an Leuchtkäfern, doch mit den Überbauungen und dem Austrocknen der Flüsse werden sie rar. Deswegen beginnen immer mehr Leute Petitionen für den Schutz des natürlichen Flusswassers und züchten selbst Glühwürmchen. Die meines Grossvaters befinden sich allerdings noch im Larvenstadium und leuchten leider noch nicht. Total sollen sie circa ein Jahr leben und die "Leuchsaison" ist im Herbst, so viel ich mitbekommen habe.
Zu Anlass des Obons werden vor dem Essen einige Bisse zur Seite gelegt und zum Buddha-Schrein des Hauses gebracht, so fern es einen hat. Jedes japanische Haus verfügt über einen kleinen Shinto-Schrein, die wuchtigen und goldigen Buddha-Maka sind allerdings seltener.
Mit einem kleinen Ritus und Räucherstäbchen begleitet, "opfert" man einige Gaben dem Schrein, alias seinen Ahnen. Zu meiner Überraschung kennt der Grossvater auch die mystisch-seltsamen Gesänge, die der Zeremonie-Leiter (Im Tempel des Priester) singt und währenddessen alle beten. Diese Formen sind uralt und es handelt sich nicht um die japanische Sprache, denn ich konnte kein Wort verstehen.
Nach dem Abendessen stiegen meine Mutter und ich auf den Dachboden-von dort konnte man das Feuerwerk von Tokamachi wunderbar beobachten. Ich habe nun diverse Feuerwerke in Japan gesehen, das von Tokamachi ist das kleinste und zwischen den Schüssen vergehen häufig 1-2 Minuten. Füher dauerte es allerdings bis zu 5 Minuten, erzählte mir meine Mutter. Sie ist in Tokamachi aufgewachsen und hat so mit ihren Jugendfreunden oft das Feuerwerk gesehen. 
Im Gegensatz zum jährlichen Sommerfestival, gibt es eine Kunstausstellung in der Gegend des Städtchens, welche nur alle 4-6 Jahre zu sehen ist. Mit historischen Techniken und Material aus Bodenschätzen werden verschiedenste Kunstwerke hergestellt, wie beispielsweise Häuser, die denen aus der Edozeit ähnlich sind. Man fährt mit dem Auto von Ort zu Ort und kann sich die Statuen, Ausstellungen etc. anschauen. Am Mittag vor unserer Heimkehr nach Joetsu machten sich meine Mutter, Grossvater und ich auf den Weg und besuchten 3 dieser Gegenstände.
Auch dort lernte ich mal wieder einiges über Historik und Kultur.

Mittwoch, 12. August 2015

Tokyo's Train-Adventures

Das Zugnetzwerk ist ein erneutes Meisterwerk an japanischer Technik. Nebst den Shinkansen ins gesamte Land gibt es Regiozüge und Metrolinien durch die ganze Stadt. Ausser bei Erdbeben und Unfällen sind sie pünktlich auf die Minute-auch zur Stosszeit. 
Meine Schwester leihte mir eine Fahrkarte, die man bei einem Automaten auflädt und bei Betreten der Plattform auf einen Badge hält-Schnell, effizient und günstiger als ein Billet zu kaufen.
Viele der Geschichten über die Züge sind wahr, beispielsweise ist es zu jeder Tageszeit ruhig, Kinder schreien nicht. Am Morgen schlafen nicht nur Geschäftsleute vor sich hin, doch selten werden fremde Menschen berührt. Ich stellte mich dieser Challenge als Europäer ganz gut, und vermied es in Leute hinein zulaufen oder beim Sitzen zu streifen. Am Morgen sind die Züge unglaublich voll, jedoch ist das Gefühl im Vergleich zum Zürich Hauptbahnhof viel gedrängter, jedoch ruhiger. 
An den Wochentagen am Morgen gibt es Waggon's nur für Frauen: Diese sind ein Produkt der "Chikan's" in Tokyo. Als "Chikan" werden Männer bezeichnet, welche in dicht gefüllten Zügen Highschoolmädchen oder sonst junge Frauen anfassen, die Gruselgeschichten kennt man ja.
In den Zügen findet man allerdings auch viele Ausländer und zu meiner Überraschung Pfadfinder aus aller Welt. Vermutlich findet gerade ein Event statt, so dass in allen Touristenorten und Shoppingmeilen Teenager mit riesen Rucksack und geknüpftem Halstuch zu finden waren.
Während dem Fahren mit dem Zug hört man ständig Durchsagen-Vergleichbar mit dem London Underground "Mind the gap", nur viel höflichere und längere Sätze. Es wird auch immer die Aussteigsseite für Blinde angesagt, auch sonst kann man sich in Japan ohne Augenlicht besser zurechtfinden als sonst auf der Welt: Vor den Toiletten wird angesagt, welche Seite für welches Geschlecht ist, auf dem Boden finden sich Linien um den Weg zu finden und, und und...
Die Sitze in den Zügen sind allerdings bis auf die der Shinkansen immer seitwärts gerichtet: Man sitzt mit dem Rücken zum Fenster. An der Decke hängen dann unzählige "Triangel" aus Plastik. Meistents steht man im Zug, und obwohl sie unglaublich schnelll und ruhig(!) fahren, hält man sich daran fest.
Alles in allem ein wunderbares Vorbild für die SBB. Hier gibt es allerdings nicht nur eine Gesellschaft für die Züge, sondern mehrere.  Das Wechseln zwischen diesen ist allerdings kein Problem, man bezahlt für sein Billett, als würde man den Bahnhof verlassen und wechselt auf die nächste Linie. Auf der berühmtesten Zuglinie, der Yamanote-line, sind wir zu meiner Freude auch gefahren. Sie ist nichts besonderes, nur dass  es die vermutlich am häufigsten benutzte Linie ist. Sie fährt im Kreis durch die Innenstadt Tokyo's und benötigt dafür eine knappe Stunde.
Ich bin also ein Fan vom japanischen Zugnetzwerk, in Tokyo ist es einfach genial. Meine Schwester wusste glücklicherweise den Weg zu jeder Plattform und hatte dank dem Smartphone auch immer Zugriff auf die besten Verbindungen. Während man allerdings in Tokyo kaum 4 Minuten auf einen Zug wartet, kommt in Joetsu (200.000 Einwohner) nur höchstens alle halbe Stunde und regelmässig ein Zug. Die Busse fahren auch hier sehr unregelmässig und der letzte zu meinem Haus fährt vor 7 Uhr am Bahnhof ab. Da  lob ich mir doch die gute, alte und sehr verspätete Buslinie 350 nach Zürich Wiedikon, die fährt bis morgens um eins.

I'm a big big girl in a big big world..

Während meine Kollegen in der Schweiz sich am Sonntagabend ins Bett legten, nahm ich im selben Augenblick mit meiner älteren Schwester den Shinkansen nach Tokyo(Ich lebe dank Zeitverschiebung 7h in der Zukunft für die Schweiz). Meine Schwester ist volljährig, schweigsam und lebt seit einigen Wochen in einem winzigen Apartement in der Nähe des Shoppingviertels Shinjuku. Diese Woche hat sie frei und kommt dennoch mit mir als Funktion der Gastgeberin in die Millionenstadt.
Am Montagvormittag erreichten wir zuerst das Apartement, welches noch in der Einrichtungsphase ist und wir deshalb unser Essen meist in einem Konbini kaufen und abwechselnd am ebenfalls winzigen Tisch verspeisen. Mein Bettzeug ist improvisiert, immerhin gibt es seit neustens einen Kühlschrank und ich erhalte ein nigelnagel-neues Handtuch. So fühlt sich vermutlich das Studentenleben an: Wir streifen zu zweit durch die Stadt, fahren kreuz und quer mit den Zügen Tokyos und müssen zur Seite weichen, wenn jemand von uns in den anderen Raum des Apartements möchte.(Es handelt sich natürlich um ein 1-Zimmer-Apartement mit Bad und Küche)
Am Montag besichtigten wir zuerst das Nationale Museum von Tokyo. Es besteht aus mehreren Gebäuden, von denen wir allerdings nur Geduld für das Hauptgebäude hatten. Dort werden alle möglichen Dinge aus der japanischen Geschichte nach den Zeitaltern ausgestellt. Alles was nach Japan schreit, ist hier zu sehen: Samurai-Schwerter, Rüstungen, alte Schriftrollen, Porzellanwaren, Bilder, Lackwaren...
Den Nachmittag verbrachten wir im Elektronik-viertel Akihabara. Hier findet man alles was das Gamerherz begehrt: Animes, Konsolen, Pachinkoglücksspiel... Auch ich bin nun im Besitz einer neuen Nintendo DS-Konsole, alles auf Japanisch eingestellt. Am frühen Abend kehrten wir mit schmerzenden Füssen ins Apartement zurück, wo der Abend gemütlich vor sich hintrudelte. Ich verlor allerdings schon um 9 Uhr mein Bewusstsein und erlangte es erst um halb 9 wieder.
Am Dienstag besuchten wir das "Edo-Schloss" in der Innenstadt von Tokyo. Heutzutage ist des die Residenz des Kaisers, so weit ich es richtig verstanden habe. Es war erneut total heiss, da sich auch in der Nacht die Strassen nicht abkühlen können und sich die gesamte Stadt tagsüber total aufheizt. Da wir erst am frühen Nachmittag eine Verabredung mit einer alten Schulfreundin meiner Schwester hatten, trudelten wir ca. 1 h um die Schlossanlage herum. Wir wurden dabei von unzähligen  Joggern begleitet, welche anscheinend für den jährlichen Marathon trainierten. Hier wurde das wunderbare Paradoxon der japanischen Welt sichtbar: In mitten von Wolkenkratzern steht eine wunderbare Parkanlage, Technik trifft auf historische Kunst.
Um das japanische Volk zu verstehen, ist diese eine der wichtigsten Dogmen: Alt und Neu funktioniert bestens mit und nebeneinander.
Um halb 1 trafen wir uns, wie erwähnt mit einer alten Schulfreundin. Diese plappert im Gegensatz zu meiner Schwester ganz gern und begleitete uns auf einen Shoppingtrip durch das Jugendviertel Harajuku. Hier findet man Gothic Lolitas, Plateauabsätze im 20 cm Bereich(Japanerinnen sind bis heute klein) und alle besonderen Haarfarben. Es ist schrill und unglaublich überfüllt an Leuten, egal zu welcher Zeit. Weder in Geschäften kann man sich frei umsehen, Leute stehen Ellenbogen an Ellenbogen neben einander. Ich selbst habe eine solche Masse noch nie in meinem Leben gesehen und staunte Bauklötze. Trotz der Völkerwanderung ist dieses flippige Viertel total spannend zu entdecken-und Geld ausgeben. Im Vergleich zu Joetsu ist Tokyo teuer- im Vergleich mit der Schweiz allerdings immer noch etwas billiger.
Um 3 Uhr trennten sich unsere Wege erneut und wir machten uns zu zweit auf den Weg ins Shoppingviertel Shibuya. Shibuya ist berühmt für den "scrambel-Zebrasteifen" und die Hachiko-Statue. Bei erstem handelt es sich um einen Platz vergleichbar mit dem Times-square, allerdings stoppt bei einem Ampelwechsel jedes Auto und Leute überqueren den Platz in alle Himmelsrichtungen-Meistens diagonal auf die andere Strassenseite.
Die Hachinkostatue ist ein Denkmal für einen Hund, welcher jahrelang vor dem Shibuyabahnhof vergeblich auf seinen verstorbenen Herrn gewartet hat. Was aus Hachinko geworden ist, weiss ich nicht, jedoch hat er nun eine Statue mit den Kanji Herz+Hund und seinem Namen drauf. 
Nach einem kurzen Trip in einen Gameshop und in einen Departementstore namens "Forever 21" ,(Kennt diesen jemand? Scheint eine Variante des H&M zu sein), machten wir uns auf zurück in die Wohnung.
Am Mittwochmorgen machten wir uns erneut früh auf den Weg quer auf die andere Seite der Innenstadt. Im Viertel Asakusa gibt es seit neustem den sogenannten Sky-Tree, eine hohe Plattform mit Aussicht auf Tokyo. Doch selbst auf über 400 m Höhe (die Spitze liegt bei 643m) sieht man das Ende Tokyos am Horizont nicht- die Stadt ist gewaltig. Der  Lift der uns und sehr viele andere Besucher auf die Plattform brachte, bringt es auf eine Geschwindigkeit von 600m/Min. Dies ist bei der Beschleunigung in den Beinen zu spüren und beim Abstieg anhand des Druckes in den Ohren.
Zum Abschluss unseres Trips besuchten wir im selben Viertel das berühmte "Kaminarimon"-was Donnertor bedeutet. Es ist der Eingang zu einem berühmten Tempel mit einer Einkaufsmeile an Souvenirs vorne dran. Wie immer bei einem Tempelbesuch warfen wir eine 5Yen-Münze (Sie hat ein Loch in der Mitte) in ein Becken, falteten die Hände und hofften, dass unsere Wünsche von Buddha erhört werden.
Es folgte nur noch den Heimweg zurück ins Apartement und von dort aus zur überfüllten Tokyo Station, dem Hauptbahnhof. Von dort gehen alle Shinkansen in alle Himmelsrichtungen, weshalb es Leute aus aller Welt hat und ich mit 2 überfüllten Rucksäcken und 2 Plastiksäcken an Shoppingeroberungen mich kaum bewegen konnte.
Nach 2h im Shinkansen erreichten wir Joetsu Myoko Station-wo uns unser Vater abholte und wir den Abend in Ruhe  und Platz zum Atmen verbrachten.
Tokyo ist gross. Tokyo ist laut. Überfüllt, schrill, verrückt und man kann ein Leben lang neue Sachen entdecken. Für mich war es ein neues Highlight meiner Reise. Während diesen 5 Monaten war es vermutlich die Gelegenheit, sich jung zu fühlen und sich zu amüsieren. Nach 3 Tagen nonstop Programm war ich jedoch froh, wieder ins ruhige Joetsu zurück zu kehren, meine Wäsche waschen zu können und nur dem Zirpen der Grillen lauschen zu können.

Donnerstag, 6. August 2015

Globetrotter (in Niigata)

Meine Reise in der Präfektur begann am 1. August, Takada Bahnhof mit Zugbillett für den Expresszug, doch ohne Oskar. Durch einen Kommunikationsfehler seitens AFS stieg mein Reisebegleiter erst eine Station weiter in Naoetsu ein. Doch nach einer einstündigen Zugfahrt erreichten wir Nagaoka ohne Probleme-auf dem Bahnsteig war niemand zu sehen, obwohl uns das pure Gegenteil prophezeit wurde. AFS Volunteers und unsere neue Gastfamilie für 3 Tage holten uns am Bahnhof ab und alle Austauschschüler von unserem Niigata-Präfektur Chapter versammelten sich. Ich erinnerte mich wage an diverse Gesichter aus Tokyo- ein Junge aus Ungarn, doch die Haarfarbe komplett anders, ein Franzose, mit welchem ich aufgrund meines verschwundenen Französischs nur noch wenig Französisch sprechen konnte und viele mehr. Ein Mädchen aus Thailand, welches die Haare um fast einen halben Meter gekürzt hatte, sollte für diese 3 Tage für mich und ein Mädchen aus Amerika eine neue Gastschwester sein.
Wir wurden folglich also zu unserer neuen Gastfamilie gebracht, welche uns den Plan für die nächsten 3 Tage  erzählte. Am ersten Abend begann das Nagaoka-Matsuri (Festival) und die AFS Studenten aus Nagaoka selbst hatten sich für die Tanzparade angemeldet. (Gleiche Sache wie am Joetsu Festival, wo Oskar und ich zu tanzen versuchten).
Für diese 3 Tage hatte jede Gastfamilie ihr eigenes Programm, wir trafen allerdings einige andere AFS Leute am ersten Abend des Festivals.
Den zweiten Tag verbrachten wir als Gruppe zusammen: Wir nahmen von Nagaoka den Zug zu einem Ort namens Odchiba. Odchiba ist berühmt für Kois- Japans teure und bunt gefärbte Karpfen. Wir besuchten nebst der Koiausstellung auch eine  alte Weberei, wo wir allerdings einfach einen Untersetzer nach traditioneller Art webten, anstatt etwas zu lernen oder besichtigen. Die Kois waren jedoch spektakulär: Es gibt unzählige Sorten, die aus vorherigen Kreuzungen entstehen und in einem riesigen Innenbecken befanden sich gut 25 Kois- von der Grösse von Schweinen(Gewicht 20kg). In einem Aussenbecken fanden sich jedoch auch noch Kois mit der gewohnten Grösse.
Das Mittagessen fand nach besonderer Art statt: Wir besuchten ein Soba-Haus(Soba sind japanische Buchweizennudeln), wo wir die Nudeln selbst herstellten, schnitten und anschliessend assen. Soba-Tenpura ist ein beliebtes Gericht im Sommer, wo man die Nudeln in kalte Soyasauce mit Dashigranulat(Japans Bouillon) taucht und danach schlürft. Tenpura sind Gemüse, Crevetten, Muscheln etc. mit einem Eier-Mehl-Teig frittiert.
Das ganze Programm war ziemlich anstrengend, doch wir alle wurden innerhalb eines Tages enge Freunde. Es ist nun ziemlich frustrierend, zu wissen, dass sich alle im September wieder sehen werden und ich dann bereits in der Schweiz bin.
Nun am Abend fand das berühmte Feuerwerk am Fluss in Nagaoka statt. Der Ursprung des Feuerwerks stammt aus dem 2. Weltkrieg, als Amerikanische Flugzeuge Nagaoka beschossen und anschliessend zu Ehren der Opfer seit jeher Feuerwerke stattfinden. Die ersten Schüsse werden deshalb einzeln und mit Ansage abgegeben, als Schweigeminute sozusagen. Wir 3 Gastschwestern hatten uns mithilfe unserer Gastmutter in Yukatas geworfen und spazierten dann zu viert zum Feuerwerk, ein Obento im Gepäck. Das ganze Feuerwerk ist ein Riesenspektakel mit 500'000 Zuschauern pro Abend. Wir hatten wunderbare und teuere Plätze auf Holzplateaus auf Stelzen, wo weder Wind noch Mücken uns erreichte. Folglich war nach einigen Schüssen alles voller Rauch und man hatte leider etwas Mühe etwas zu sehen. Das Feuerwerk dauert an 2 Abenden gute 100 Minuten. Das ganze ist so organisiert, dass verschiedenste Sponsoren ein Feuerwerk inklusive Namen liefern, der dann auf einem Programm zu lesen ist.
Vor allem der erste Abend übertraf alles was ich bereits an Feuerwerken gesehen hatte: Böller in verschiedensten Farben und Formen knallten unglaublich laut, so dass die Holzplatten erzitterten. Die Knaller waren häufig so dicht, dass geschossen wurde, bis der Himmel taghell in allen Farben, die Gesichter in Freude erstrahlten und sich alle Fledermäuse in ihre Löcher verzogen. Das ganze Programm war an Technik ebenfalls total ausgefeilt: Es wurden von mehreren Orten (sogar von einer Brücke) und perfekt getimt Knaller losgelassen, das wunderschöne Muster und Bewegungen entstanden. Einer der Höhepunkte des Programms war der sogannte "Phönix"- eine Metapher für das Erdbeben von Nagaoka, welches die Japaner ermahnen sollte immer wieder aufzustehen. Über 100m Breite zogen sich die Abschussplätze der Feuerwerke und man konnte sogar Phönixe in den Formen erahnen. 
Um 9 Uhr kehrten wir zu Fuss mit einer riesen (und organisierten!) Völkerwanderung nach Hause zurück wo wir zu dritt natürlich eine Übernachtungsparty feiern konnten. 
Am 3. August schliefen wir bis knapp Mittag (Überraschung!) und gondelten am Nachmittag durch die heissen und bevölkterten Strassen des Nagaoka Festivals. Am Abend fand noch einmal ein fantastisches Feuerwerk statt, das Programm jedoch etwas anders. Diesmal fanden sich sogar Hello-Kittys unter den Feuerwerkskörpern, die Höhepunkte blieben allerdings die selben. 
Am nächsten Morgen fanden wir uns alle am Bahnhof wieder, wo wir alle unsere Erlebnisse des Feuerwerks austauschten. Wir fuhren mit einem Bus in ein Onsen-Hotel, wo wir eine Nacht blieben. Nach einem Mittagessen fand der ein weiterer Höhepunkt des Lagers statt: Wir stürzten uns in unsere Badesachen und ab an den Strand! Trotz vieler Sonnenbrände und geschluckten Wassers war es ein riesen Spass mit allen am Strand zu sein und die Ferien zu geniessen. 
Zurück im Hotel ging's nicht unter die gewohnte Dusche- sondern ab ins Onsen! Unter vielen Frauen duscht man sich in im Sitzen ab und steigt dann in die heisse Wasserbecken. Onsen sind ursprünglich heisse Quellen, das Wasser häufig trüb von Mineralien, gesund für Geist und Körper. Sie sind wirklich heiss, doch jeder der sich in Japan aufhält, sollte sie mal ausprobiert haben. Nach einiger Freizeit gab's Abendessen und ein Orientation-Meeting über das weitere Programm für die ganzjährigen Austauschschüler-leider ein erneuter Moment von Frustration für mich. Nach dem Essen hatten wir noch einmal Gelegenheit, ins Bad zu gehen. Bei einem Onsenaufenthalt wird 3 mal ein Bad empfohlen.
In der Nacht wurde natürlich praktisch nicht geschlafen, sondern das Hotel erkundet, Karten gespielt und bis in den frühen Morgen geredet.
Auch vor dem Frühstück stiegen viele noch einmal in Sauna und Wasserbecken- eine gute Möglichkeit wach zu werden. Um wach zu werden, benötigte ich jedoch den ganzen Tag, mehrere Kaffees und Getränke und ein Aspririn am Morgen. 
WIr packten leider bald unsere Sachen und fuhren in eine Primarschule, wo wir unsere Länder den Schülern vorstellen sollten. Vorher hatten wir jedoch ein Japanisch-Test und eine erneute Orientation. Der ganze Nachmittag mit den Kindern strengte uns ziemlich an, obwohl wir alle bereits mit totenbleichen Gesichtern und Augenringen aufkreuzten. Doch das Lagerleben geniesst man, so lange man jung ist, auch wenn man dann einen Nachmittag lang sich nach Kaffee, Ruhe und Bett sehnt. Die Zeit mit den Kindern war eine interessante Erfahrung: Wir stellten unsere Länder vor, sprachen unglaublich viel, assen zusammen Mittag... Wie bereits schon einmal erlebt, sind viele ein wenig Scheu, doch nach ein wenig Kontakt kamen alle Kinder mit vollem Herzen auf einen zu. 
Wir erreichten alle am Abend eine neue Gastfamilie-für 1 Nacht. Ich hatte eine wirklich nette neue Mum, eine noch freudigere Grossmutter, die einen seltsamen Dialekt sprach und eine Gastvater, der mir nicht wirklich sympathisch war-Er war an der ganzen AFS Sache nicht wirklich beteiligt. Nach einem Abendessen machten Mum und ich einen Strandspaziergang-zufälligerweise an den selben Strand, wo wir alle zusammen geplantscht haben.
Am nächsten Morgen trafen wir uns alle noch einmal für eine 30 Minütige Zugfahrt nach Niigata-und einem Mittagessen bei einem Mexikaner. Danach wurde es für Oskar und mich Zeit in einen Highwaybus zu steigen und nach Hause zu gondeln. Währned der Fahrt kämpften wir beide mit einer Traurigkeit, die imer auftritt, wenn ein wunderbarer Event zu Ende geht. Ausserdem sah ich alle Leute aus dem Chapter vermutlich zum letzten Mal, sie alle werden sich allerdings im Herbst in Joetsu wiedersehen. 


Freitag, 31. Juli 2015

Reflexion über das wunderbare Leben eines Austauschschülers

Auf die Fragen "Wie lebt es sich in Japan? Was hast du gelernt, erlebt?" findet sich so schnell keine Antwort. Ich kann nicht 5 Monate meines Lebens in 3 Sätze zusammen fassen. Ich kam hierher und konnte mich gerade mal selbst auf Japanisch vorstellen, jedoch Basic-Sätze verstehen. Ich bin immer noch ein Anfänger in Japanisch-doch ich habe dazu gelernt. 
Ich machte viele Fehler, wiederholte Fehler. Doch ich gewann an Sensibilität und gewann Verständnis für Kultur und Sprache. Diese Dinge sind so dicht verknüpft, das viele es als ein Ding des Unmöglichen nennen, eine solch fremde Sprache zu lernen. Das ist es nicht.
Ich lernte meine eigenen Grenzen, überschritt sie und gewann an Vertrauen in meine eigenen Fähigkeiten. Meine  Familie wuchs um mehrere Mitglieder, nun gibt es Leute auf dem gesamten Planeten, die ich als Freunde und Familie bezeichne. Das schlimmste am Austauschschüler-sein ist Abschied nehmen, da sind wir uns einig. Wir alle haben diese einzigartige Verbindung, die man aufbaut, wenn man als einzige Ausländer in einer (anfangs) fremden Familie und Kultur lebt. Gemeinsam mit wunderbaren Leuten habe ich gelacht, geweint und gelebt. Ich bin sicher, jeder Austauschschüler verliebt sich in sein Gastland, das Gefühl der Sonne und Wind auf der Haut, das sich anders als in der Heimat anfühlt.
Man wächst jeden Tag, Herausforderungen und Treffen mit neuen Leuten gehen nicht ohne Spuren vorüber. Man sagt, "Education is the key to peace and understanding", doch was ist der Ursprung? Meine Antwort darauf lautet Neugierde. Dieselbe Neugierde, die uns als Kinder auf eine heisse Herdplatte fassen und auf fremde Menschen zurennen lässt. Diese Neugier, welche ich von den Japanern, egal ob jung oder alt, erfahren habe, lässt mich bis heute erstaunen. Japaner sind ein Inselvolk und die Kultur ist voll von Paradoxen. Wenn man diese Dinge verinnerlicht, ist die Hürde zum Verständnis ihrer Kultur überwunden. Ich wurde oft seltsame Dinge gefragt, doch Antrieb dahinter ist wieder die menschliche Neugier. Ich sehe sie in den Augen der Menschen, die mich scheu auf der Strasse anlächeln oder ein Gespräch beginnen.
Menschen sind nicht von Natur aus gut oder böse, dies sind von Menschen erfundene Begriffe mit Bezug auf idealisierte Moralvorstellungen. WIr alle leben unser eigenes Leben, jede Familie lacht und streitet hinter ihren Türen. Die Frage ist nur, ob wir den Schritt wagen auf fremde Menschen zuzugehen und einen Blick in ihr Leben werfen möchten oder sich lieber auf sein eigenes Leben und Wohl fokussiert. 
Ich habe keine Sekunde bereut, das Flugzeug in Zürich Kloten bestiegen zu haben. An alle zukünftigen Austauschschüler: Nehmt euch die Zeit ein ganzes Jahr zu verreisen, es ist es jeden Tag wert. Hier habe ich die Möglichkeit Spass zu haben, die Welt und mich selbst kennen zu lernen, Träume zu erfüllen, neue Dinge auszuprobieren und, und und...
Hier habe ich Zeit, Vögel beim Fliegen und Menschen beim Einkaufen auf der Strasse zu betrachten.
Auch wenn ich in Japan nicht nur rechtlich sondern auch von der Gesellschaft als Kind betrachtet werde, lernte ich Verantwortung zu übernehmen. Doch man ist nie allein und ohne Hilfe hätte ich diese 5 Monate nie gemeistert. Ich bin dankbar um meine Gastfamilie, Freunde, Schule und AFS Freiwillige.
Das Leben in Japan ist für mich voll von Farben und pulsierendem Leben. Grün, wie die üppige Natur, blau wie das Meer, das so wichtig für die Menschen hier ist, gelb wie die Sonne, an die ich mich nie gewöhnen werde, pink wie die wunderbaren Kirschblüten und das Gefühl des Frühlings, orange wie die Sonnenuntergänge, welche zu den schönsten auf der Welt gehören und schwarz wie der Nachthimmel auf dem Land. 
Ich versuche mein Leben so intensiv wie möglich zu leben, zwischen Schrittempo auf dem Spazierweg und Vollgas durch die Strassen Joetsus auf dem Fahrrad. 
Ich weiss nicht, ob ich schon bereit für meine Rückkehr in die Schweiz bin, doch ich nehme jeden Tag in Angriff, wie er kommt.